Definition:
Eine
schizoaffektive Störung setzt sich aus drei Komponenten zusammen,
die abwechselnd oder gleichzeitig auftreten können. Es sind dies:
die Schizophrenie bzw. Psychose, die Depression und die krankhafte
Hochstimmung oder Manie. Der Begriff „schizoaffektiv“ enthält zwei
Wortteile: „schizo“ weist auf die schizophrene Komponente des
Krankheitsbildes hin und „affektiv“ auf die Gemütsstörungen
wie Depression und Manie.
Allgemeines:
Jeder
zehnte bis fünfte Patient, der an einer der drei Komponenten
erkrankt ist, leidet später an einer schizoaffektiven
Störung. Frauen sind eher betroffen als Männer,
möglicherweise sogar doppelt so oft. Auch Kinder kann es treffen,
allerdings weit weniger häufig. Am häufigsten ist die
schizoaffektive Störung im mittleren Lebensalter anzutreffen.
Hintergründe der
Erkrankung: Aus biologischer Sicht ist nach wie vor die Genetik,
also die Vererbbarkeit der schizoaffektiven Störung oder einer der
drei Komponenten, ein Entstehungsfaktor dieser Krankheit. Hinzu kommen
aber psychische und gesellschaftliche Faktoren wie Stress, Trauer und
Verlusterfahrungen, Reaktionen der Umgebung sowie Schwierigkeiten in
der Partnerschaft, Familie, im Kreis der Kollegen etc.
Therapierbarkeit:
Schizoaffektive Störungen sind inzwischen gut behandelbar, wenn
sie rechtzeitig erkannt werden. Die heutige medikamentöse Therapie
weist weit weniger Nebenwirkungen auf als frühere
Medikamentengaben.
Krankheitssymptome:
- Depression:
Ohne Freude, Interesse,
Initiative und Antrieb, niedergeschlagen; Angst zu versagen, nicht zu
genügen, unfähig zu sein; fehlende innere Beteiligung an
Beschäftigungen, Verlust des Ich-Gefühls;
Konzentrationsschwierigkeiten, Grübeln, Angst, innere Unruhe und
Angespanntsein; Gefühl der eigenen Fremdheit oder des
Neben-Sich-Stehens; Entscheidungsunfähigkeit; Schlafstörungen
(darunter auch stark vermehrtes Schlafbedürfnis), Appetitverlust;
letztendlich Leistungseinbruch, Rückzug bis hin zur Isolation
(Nichts-Hören- und Sehen-Wollen)
- Manie:
Hyperaktivität v.a. im
gesellschaftlichen Leben, auch beruflich, evtl. auch sexuell;
gesteigerter Redebedarf und unbändiges Selbstbewusstsein; kaum
Schlafbedürfnis bis hin zu ständiger Wachheit, Ablenkbarkeit;
gesteigerte Aktivität bei Kaufverhalten, sexuell und im
Straßenverkehr; absolute Entscheidungssicherheit, auch und vor
allem bei nicht nachvollziehbaren oder irrationalen Entscheidungen;
unbezähmbare Spontaneität und Tatkraft
- Schizophrenie
/ Psychose: Wahn (Verfolgungs-,
Größen-, nihilistischer Wahn = „ich bin nichts oder gar
nicht vorhanden“ u.a.), manipulierte Gedanken (fremdbestimmt etc.),
vermeintlich durch eigene Gedanken manipulierte Umwelt ->
gefühlte direkte telepathische Einwirkung auf Personen oder
Vorgänge, Halluzinationen (v.a. akustische ->
„Stimmenhören“ oder Lesbarkeit der eigenen Gedanken),
Zerfahrenheit (unlogisches Denken, sprachliche und emotionale
Verarmung), Sendungsbewusstsein (als „Retter der Welt“, „Messias“
etc.), Gefühl einer sich vorbereitenden Apokalypse, eines sich
zuspitzenden Kampfes zwischen Gut und Böse mit eigener Rolle an
der Spitze des Guten -> daher auch existentielle Angst bis hin zur
Todesangst; Unerklärlichkeit des Verhaltens, mitunter
uneingeschränkte Direktheit und Aggressivität bei sonst
unauffälligem oder angepasstem Verhalten.
Beginn einer
schizoaffektiven
Störung: Die schizoaffektive
Erkrankung beginnt nicht plötzlich, also von einem Tag auf den
nächsten. Sie schleicht sich innerhalb weniger Wochen bis hin zu
sechs Monaten und mehr ein.
Vorwarnsymptome:
- müde, matt, rasch erschöpfbar
- schlecht gelaunt, reizbar bis hin zu aggressiv
- Stimmung schwankt
- Phobien
- Merk- und Konzentrationsschwächen
- verringerte Leistungsfähigkeit
- innerlich unruhig, nervös
- gestörter Schlaf
- ohne Ursache auftretende Schmerzen, auch
wandernd
- Änderungen in Verhalten und Gewohnheit
- Misstrauen, schließlich Rückzug
- Gesteigerte Empfindlichkeit bei
Geräuschen und Licht
- Hypochondrie
- Appetitverlust, Würgereiz
Prognose:
insgesamt
relativ günstig, bei über 50% der
Betroffenen keine bleibenden Beeinträchtigungen:
Krankenhausaufenthalte sind meistens zeitlich begrenzt zwischen einigen
Wochen oder auch Monaten, dabei aber nicht dauerhaft vonnöten,
außer in Fällen mit überwiegender Schizophrenie. Zu 80%
bleiben Betroffene selbständig, brauchen also keine Betreuung.
Beruflich und bezüglich der Beziehungsfähigkeit (auch der
Weiterführung von Ehe und Partnerschaft) gibt es bei über der
Hälfte der Erkrankten keine Beeinträchtigungen, allerdings
muss in 25% der Fälle der Beruf vorzeitig aufgegeben werden. Auch
eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit mit Berentung kann eintreten.
Ehe oder Partnerschaft dagegen werden nur bei 15% der Betroffenen
aufgelöst.
Verlaufsformen:
(Klassifikation nach ICD-10)
- F25.0 - Schizoaffektive Störung, gegenwärtig
manisch
- F25.1 - Schizoaffektive Störung, gegenwärtig
depressiv
- F25.2 - Gemischte schizoaffektive Störung
Die Erkrankung verläuft in der Regel phasenhaft. Einer manischen
oder hypomanischen Phase folgt mit ziemlicher Sicherheit der Absturz in
die Depression. Der Wechsel - der sogenannte switch - kann
sogar von einem Tag auf den anderen oder innerhalb weniger Stunden
erfolgen, was für die Betroffenen sehr belastend ist. Wechseln
sich die Stimmungen monatlich oder gar wöchentlich ab, spricht man
von Rapid Cycling - bei Tagen, was auch vorkommt, von Ultra Rapid
Cycling. Die wahnhaften Anteile können sowohl bei der manischen
Phase (Größenwahn) als auch bei der depressiven mehr oder
weniger stark ausgeprägt sein (Schuld- und
Versündigungswahn). Schließlich kann der oder die Betroffene
so psychotisch werden (mit Todesangst und Verfolgungswahn), dass eine
Abgrenzung zur Schizophrenie schwerfällt. Allein die geringere
Chronifizierung des Leidens (keine Minussymptome) spricht für eine
schizoaffektive Psychose.
Rückfallhäufigkeit:
Bei einer schizoaffektiven Störung
ist es äußerst selten, dass es bei einer Krankheitsepisode
bleibt. Oft begleitet den Betroffenen die Krankheit ein Leben lang,
erst im höheren Alter (ab 70 Jahren) stellt sich eine dauerhafte
Besserung ein. Allerdings ist heutzutage durch die verbesserten
Behandlungsmöglichkeiten und bei rechtzeitiger Therapie eine hohe
Lebensqualität relativ leicht zu erreichen. Doch durch ein
Auftreten von belastenden Lebensereignissen ist ein Rückfall sehr
wahrscheinlich. Wichtig ist in solchen Situationen wie auch in
Fällen von stärkerer Belastung die Anpassung der Medikation
(entweder durch eine Dosiserhöhung eines regulär
einzunehmenden Medikamentes oder durch eine zusätzliche Einnahme
eines Tranquilizers z.B.) in Absprache mit dem Nervenarzt oder
Psychiater oder bei fortgeschrittener Medikamentenerfahrung durch
eigene Initiative.
Belastende
Lebensereignisse
oder psychische Determinanten (die zur
Ersterkrankung oder zu Rückfällen führen können)
- Verlust oder Wechsel der Arbeitsstelle sowie
Berentung
- Stress, Druck durch die Arbeit, Mobbing
durch Chef oder Kollegen
- Gerichtsverfahren
- Heirat oder Geburt eines Kindes sowie
Schwangerschaft
- Erkrankung (eigene oder von nahen Verwandten
und Freunden) oder Operation
- Finanzprobleme
- Trauer
- Trennung oder Scheidung
- Fernreisen oder Umzug
- Prüfungen
- Heftige Verliebtheit, oftmals einseitig
- Übermäßige Angepasstheit,
nicht Nein-Sagen-Können
- Unterschiedliche Erziehungsstile der Eltern
- Hohe Ansprüche an sich selbst,
Perfektionismus
- Tendenz zum „Strebertum“
- Vormachtstellung des „Über-Ichs“ (der
eigenen übergeordneten psychischen Kontrollinstanz)
- Gefühl des Nicht-Genügens oder der
Minderwertigkeit
- Einzelgängertum, keine oder nur wenige
Freunde
- Oft überdurchschnittlich intelligent bzw. sensibel
- Gefühlstiefe, die sich auch
religiös oder spirituell äußern kann, aber auch leicht
zur Belastung werden kann
Aber diese belastenden
Lebensereignisse sollten nicht überbewertet
werden, denn nicht in jedem Fall sind sie Auslöser der Krankheit.
Treten diese Belastungen allerdings gehäuft auf, werden auch die
Rückfälle häufiger und die gesunden Zwischenperioden
kürzer. Bei depressiven oder manischen Zuständen spielen sie
eine vielfach größere Rolle als bei rein schizophrenen
Zuständen. Die psychischen Faktoren sind oft vorherbestimmend
für die schizoaffektive Erkrankung.
Suizidgefahr:
In
fast
75% aller Fälle wird von
Selbsttötungsgedanken, -plänen oder gar –versuchen berichtet.
V.a. bei langjährig Erkrankten ist das Suizidrisiko hoch und bei
solchen, die gleichzeitig unter schizophrenen/psychotischen und schwer
depressiven Symptomen leiden. Frauen und Patienten mit akutem
belastenden Lebensereignis (oder gar mehreren) sind besonders
gefährdet. Bei drohender Suizidgefahr ist eine Aufnahme in ein
psychiatrisches Krankenhaus die sicherste Lösung. Bei
schizoaffektiven Störungen von Frauen nach der Geburt eines Kindes
ist eine sofortige Behandlung durch Frauenarzt und Psychiater
vonnöten, da sonst nicht nur ein üblicher Suizid, sondern ein
um das Leben des Kindes erweiterter Suizid drohen kann.
Therapie
bei
schizoaffektiven
Störungen
(1) bei
einer
Manie:
- Leichte Formen können mit Hilfe von
Nervenarzt / Psychiater und Internist oder Allgemeinarzt ambulant
behandelt werden, also ohne dass der Erkrankte in ein Krankenhaus muss.
Bei mittelschweren Formen muss diese Entscheidung (ambulant oder
stationär) von den Ärzten genau abgewogen werden während
bei schweren Krankheitsverläufen unbedingt ein
Krankenhausaufenthalt nötig ist. Dieser muss notwendig in einer
psychiatrischen Fachklinik erfolgen auch wenn der Patient dafür
nicht zu gewinnen ist. Eine Behandlung der Manie ist schon allein
deswegen ratsam, weil der
Erkrankte dadurch sonst oft seine Arbeitsstelle, Partnerschaft, gute
Nachbarschaft, Wohnung sowie seine finanzielle Existenz riskiert ohne
sich dessen bewusst zu sein.
- Medikamentöse
Therapie: Oft wird eine
Kombination aus Lithium und Neuroleptika bevorzugt, wobei die
Neuroleptika in der Regel geringer dosiert werden als bei einer
Psychose. Lithium ist ein so genanntes „Phasenprophylaktikum“, also ein
Mittel der Vorbeugung gegen manische und depressive Phasen. Lithium ist
als Phasenprophylaxe das Mittel der ersten Wahl, kann aber bei einer
langjährigen Einnahme auch die Nieren angreifen. Besteht
nachweislich eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion (meist nach
vielen Jahren der Lithiumeinnahme), was v.a. durch den Kreatininwert im
Blut zu erkennen ist, muss das Lithium abgesetzt werden. Letzte
Sicherheit in dieser Frage schafft der Internist oder (noch besser) der
Nephrologe durch weitere Untersuchungen. Bei einer Weiterbehandlung
durch Lithium bei beschädigten Nieren droht eine
Dialysebehandlung. Als Lithium-Ersatz stehen auch ein paar andere
Phasenprophylaktika
bereit, wie die Valproinsäure (Valproat), das Carbamazepin sowie
neuerdings das Lamictal (Lamotrigin). Heute wird teilweise auch eines
dieser drei Phasenprophylaktika an erster Stelle statt des Lithiums
eingesetzt. In schwierigen Fällen kann auch eine Kombination der
einzelnen Phasenprophylaktika sinnvoll sein. In der Regel dauert es
aber mindestens drei bis sechs Monate, bis diese Art der Medikamente
greift. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die medikamentöse
Therapie konsequent durchgeführt wird und die Medikamente nicht
einfach aus eigener Initiative abgesetzt oder rasch ausgeschlichen
werden. In diesem Falle nämlich ist ein Rückfall
vorprogrammiert. Das gilt auch für die Neuroleptika, die nicht
diese Wirkungsverzögerung aufweisen und deshalb für die
Akutbehandlung unersetzlich sind. Ebenfalls können bei starker
Erregung der Patienten Benzodiazepine (Tranquilizer wie z.B. Tavor)
gegeben werden, die beruhigend und angstlösend wirken.
(2) bei
einer Psychose:
- Beim Auftreten psychotischer Symptome ist
schnelles Handeln erforderlich. Der Erkrankte muss unbedingt rasch
psychiatrisch behandelt werden, da neben einer potentiellen Eigen- und
Fremdgefährdung auch folgenschwere Konsequenzen in Partnerschaft,
Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft und am Arbeitsplatz drohen. Diese
Krankheitsfolgen treten meist sehr schnell ein und werden dadurch
begünstigt, dass die Kontaktpersonen des Kranken nichts über
den krankheitsbedingten Hintergrund des Verhaltens wissen. Auch auf
Grund der sich schnell hochschaukelnden Eigendynamik psychotischen
Denkens und Handelns ist ein schnelles psychiatrisches Eingreifen
dringend notwendig. Den Erkrankten kann so eine Steigerung ihrer
Ängste, Halluzinationen und ihres irrationalen Denkens bis ins
Unvorstellbare erspart werden, auch das dadurch resultierende evtl.
Getriebenwerden in eine Selbst- oder Fremdgefährdung. Wird der
Betroffene schnell einer psychiatrischen Behandlung zugeführt,
wird rasch eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik erfolgen.
Diese stellt nicht nur einen Sicherheitsfaktor (Eigen- und
Fremdgefährdung) dar sondern auch den Schutz vor tief greifenden
Konsequenzen, wie sinnlosen Einkäufen,
Arbeitsplatzgefährdung, Verlust von Partner und/oder Freunden,
evtl. sogar Wohnungsverlust.
- Medikamentöse
Therapie: An Medikamenten
stehen zur Behandlung so genannte Neuroleptika ganz oben auf der Liste.
Unter ihnen gibt es hochpotente Neuroleptika, die antipsychotisch
wirken wie auch mittel- oder niederpotente Neuroleptika, die eher
dämpfen. Sind die Patienten schwer erregt, muss evtl. auf eine
Injektion dieser Medikamente zurückgegriffen werden. Auch die
Anwendung beruhigender und angstlösender
Benzodiazepin-Tranqulizern (meist Tavor) ist in akut psychotischen
Phasen üblich.
(3) bei
einer
Depression:
- Tritt im Rahmen einer schizoaffektiven
Erkrankung eine Depression auf, muss eine relativ hohe Suizidgefahr
beachtet werden, v.a. bei großem Leidensdruck. Bei bestehender
Suizidgefahr ist es ratsamer und risikoloser, wenn der Erkrankte in
eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird, wo in der Regel mehr zum
Schutze des Patienten getan werden kann als zu Hause. Wichtig im Umgang
mit schizoaffektiv Depressiven ist aber auf jeden Fall auch das
Ernstnehmen der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen, wie der
Antriebslosigkeit, der Entscheidungsunfähigkeit oder des Fehlen
eigener Initiative. Der oft übliche Spruch „Reiß Dich
zusammen!“ oder „Es wird schon gehen!“ ist da nicht hilfreich, da er
noch zusätzlich für Schuld- und Unfähigkeitsgefühle
sorgt, die dem Depressiven sowieso schon zu schaffen machen.
- Medikamentöse
Therapie: Meist
erhält der schizoaffektiv Depressive eine Kombination von
Neuroleptika und Antidepressiva. Möglich ist aber auch eines von
beiden oder auch eine zusätzliche Gabe von Phasenprophylaktika (s.
„(1) bei einer Manie“) oder auch Tranquilizern (wie Tavor). Letztere
werden v.a. dann eingesetzt, wenn ausgeprägte Ängste und
Verzweiflung, oft auch verbunden mit innerer Unruhe, den Erkrankten
quälen. Allerdings muss wegen der abhängig machenden
Nebenwirkung dieser Medikamente darauf geachtet werden, dass sie
über keinen langen Zeitraum hinweg gegeben und langsam unter
ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen werden. Phasenprophylaktika
werden als langfristiger Rückfallschutz eingesetzt, nicht aber zur
Behandlung der akuten Depression. Dazu dienen die Neuroleptika und/oder
Antidepressiva wie auch situationsbedingt die Tranquilizer.
Nicht-medikamentöse
Therapien
Im Rahmen der Behandlung schizoaffektiver Störungen können
nicht-medikamentöse Therapien nur Zusatztherapien sein, denn
die
Basistherapie ist und bleibt die medikamentöse Therapie, auch bei
leichten Erkrankungsformen.
- Psychotherapie:
Die Psychotherapie wird v.a. nach
einer akuten
Erkrankung eingesetzt.
Der Grund dafür ist, dass während einer akuten
Krankheitsphase der psychische Zugang zum Erkrankten oft nicht
möglich ist – oder – bei vorwiegend depressiven Phasen die
verabredeten Stunden bei einer Verschlimmerung der Krankheit unter
Umständen nicht eingehalten werden können. Zum Teil ist es
auch bei einer schweren Depression für den Erkrankten gar nicht
möglich, sich innerlich zu öffnen, sodass er über sich
selbst reden kann. Auch bei notwendigen stationären Aufenthalten
kann die Fortsetzung einer Psychotherapie außerhalb des
Krankenhauses natürlich nicht erfolgen.
Sinnvoll ist vor allem
eine Verhaltens- oder kognitive Therapie, die
dem Patienten psychische Belastungssituationen aufzeigt, die auf Grund
eines neu zu erlernenden Verhaltens vermieden werden können.
Dafür muss der Patient mit dem Therapeuten zusammen herausfinden,
was ihm gut tut und diese Erkenntnisse versuchen in die Tat umzusetzen.
Die Psychotherapie soll auch für Rückfallsymptome
sensibilisieren, sodass, wenn diese auftreten, gegengehalten und
entsprechend darauf reagiert werden kann. So kann eine erneute
Krankheitsphase aus eigener Kraft und Initiative (gestärkt durch
die therapeutische Unterstützung) vermieden oder abgeschwächt
werden. Auch belastende Ereignisse können in einer Psychotherapie
thematisiert und im positiven Falle gemildert oder abgefangen werden.
Außerdem können Gefühle der Minderwertigkeit oder
Unfähigkeit, die einer Depression oft zu Grunde liegen, teilweise
aber auch in der Psyche verankert sind, aufgedeckt und angegangen
werden.
Eine Psychoanalyse oder tiefenpsychologische Psychotherapie birgt
für den schizoaffektiv Erkrankten das Risiko einer Neuerkrankung
und sollte von daher mit Hilfe des Nervenarztes/Psychiaters sehr
sorgfältig abgewogen oder von vorneherein vermieden werden.
- Schlafentzug:
Es gibt zwar alternativ den
Schlafentzug, doch wird er bei schizoaffektiven Depressionen kaum
eingesetzt – v.a. wegen der Gefahr einer dadurch auftretenden Manie
oder Psychose.
- Die
Licht- oder Phototherapie ist bei angewandter
medikamentöser Therapie zusätzlich sinnvoll bei depressiven
Phasen, die immer in der dunklen Jahreszeit wiederkehren. Allgemein
muss gesagt werden, dass häufiges Spazierengehen, vor allem bei
Sonnenschein, bei Depressionen ratsam ist.
- Soziotherapeutische
Hilfsmaßnahmen: Darunter versteht man
unter anderem die Ergotherapie (=Arbeitstraining
und Belastungserprobung) z.B. in so genannten „Tagesstätten
für psychische Gesundheit“. Ist der Erkrankte erwerbsfähig,
zählt eine langsam gestufte Wiedereingliederung in die Arbeitswelt
genauso dazu wie Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen.
- EKT
oder
Elektrokrampftherapie (auch:
Elektrokonvulsionstherapie), bekannt auch als
Elektroschockbehandlung.
Diese Therapie ist v.a. bei therapieresistenten oder chronischen
schizoaffektiven Erkrankungen sinnvoll. In der Regel wirken heutzutage
die Antidepressiva ebenso wie die Neuroleptika so gut, dass eine solche
EKT überflüssig ist. Greifen aber sämtliche Medikamente
nicht oder nicht in der gewünschten Weise, kann eine EKT notwendig
werden. Diese Therapie ist aus heutiger Sicht sehr viel ärmer an
Nebenwirkungen als zu früheren Zeiten. Sie wird nur noch unter
Vollnarkose durchgeführt. Auch ein muskelentspannendes Mittel
verhilft zu einer nebenwirkungsärmeren Therapie. Die EKT besteht
aus sechs bis zwölf Anwendungen und wird in einer Woche zwei- bis
dreimal durchgeführt. Bei 60% der therapieresistenten Patienten
zeigt die EKT den gewünschten Erfolg.
Allerdings wird diese Form
der Therapie nicht in jeder psychiatrischen
Klinik angeboten. Bei Interesse ist es am besten, mit dem Psychiater
Rücksprache zu halten, der die behandelnden Kliniken in der Regel
kennt, oder die psychiatrischen Fachkrankenhäuser selbst zu
kontaktieren und nachzufragen. Eine Einweisung muss über den
eigenen Nervenarzt/Psychiater erfolgen, kann sich aber über einen
längeren Zeitraum hinziehen, da Wartelisten in den betreffenden
Kliniken nicht selten sind. Hier ist Geduld und unbeirrbarer Einsatz
(auch des behandelnden Psychiaters) erforderlich.
- Für
Erkrankte: Selbsthilfegruppen: In vielen
größeren Städten gibt es Selbsthilfegruppen,
meist allerdings nicht für schizoaffektiv Erkrankte, sondern
für Depressive, so genannte „Bipolare“ (=Manisch-Depressive) oder
einfach für psychisch Kranke. Der regelmäßige Austausch
mit anderen Betroffenen gibt dem Erkrankten die Möglichkeit einer
Selbsteinschätzung durch Vergleich mit den anderen, Rückhalt
durch die Gruppe und das evtl. gemeinsame Erarbeiten von Tipps und
Anregungen für das Verhalten bei Rückfallsymptomen. Auch im
Internet finden sich viele Selbsthilfeforen oder hilfreiche Seiten.
- Angehörigengruppen:
Diese sind vor allem empfehlenswert bei
Psychosepatienten, deren
Erkrankung die Angehörigen eigentlich immer überfordert und
ratlos macht. Aber auch bei Manikern und Depressiven ist der Bedarf an
Austausch zwischen betroffenen Angehörigen sehr groß und
auch sehr zu empfehlen, da der richtige Umgang mit den Erkrankten sehr
schwierig einzuschätzen, dabei aber äußerst wichtig
ist.
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Der vorliegende
Text wurde diesem Buch entnommen:
Diagnose: schizoaffektiv
ein Erfahrungsbericht von Margit Rohan
108 Seiten
ISBN 978-3-839-15122-8
erhältlich im Buchhandel und in allen Online-Shops
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Links zu empfehlenswerten
Webseiten:
Letzte Aktualisierung: 30. März 2012
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